Der Whiskymarkt hat auch in diesem Jahr jede Menge an Krachern, Geheimtipps und Gaumenschmeichlern im Angebot gehabt. Wer kann da noch den Überblick bewahren oder gar all die obskuren Abfüllungen durchprobieren? Ich bin da auch keine große Hilfe, aber für meinen ganz persönlichen, ultimativen, unfassbar subjektiven und selbstverständlich vorurteilsgeleiteten Jahresrückblick reicht es aus. Hier sind also meines Whiskys des Jahres. Entscheidendes Kriterium: Begeisterung. Herausgekommen ist eine entschieden unrepräsentative Auswahl. Angefangen bei seltenen unabhängigen Abfüllungen hinüber zu Whiskys, die für mein Budget eigentlich zu teuer sind, und unter beinah völligem Ausblenden von Standardabfüllungen. Auf dem Foto finden sich all meine Lieblinge 2022, teilweise als nachgekaufte, weil zwischendrin bereits geleerte, Flasche und teilweise mit der von mir mal besprochenen Flasche.
Normalerweise hat so eine Bestenliste immer einen Countdown, aber das finde ich doof, denn dann kann ich nicht sofort mit meinem absoluten Liebling des Jahres rausplatzen und ich halte es doch selber kaum aus, diesen Whisky noch weiter zu promoten:
Es ist ein Deanston 23 Jahre aus dem Bourbon Barrel mit 52,7%, abgefüllt vom dänischen Abfüller Chess Malt in der „Chess Malt Collection“. Normalerweise liegt der preislich bei etwa 190€, was über meinem Budget ist und deshalb nur dazu geführt hat, dass ich diesen Whisky zwar länger beäugt, aber nicht gekauft habe. Doch dann fiel er mir in einer Auktion auf, wo kurz vor Schluss noch keiner mehr als 91€ geboten hatte. Also bin ich da schnell eingestiegen und hab die Flasche letztlich für 105€ bekommen. Genug der Vorrede: warum ist dieser Whisky so großartig? Ganz einfach: es ist ein fruchtig-leichter, trotzdem komplexer und nebenbei einfach nur angenehmer Whisky. Vanille, Bourbon und jede Menge tropische Früchte in der Nase, Bitter Lemon, Kräuter, Honig und Kreide kombiniert mit Milchschokolade und kaltem Kaffee im Mund, dazu Zitronengras, Heide, Malz und Muskatnuss im mittellangen Abgang. Einfach nur lecker. Zum normalen Preis sicherlich kein Schnäppchen, aber Hauptkriterium für diese Bestenliste war ja „Begeisterung“ und die hat er bei mir in jedem Fall ausgelöst.
Meine „Rotweinfassabfüllung des Jahres“ (Ja, ich weiß, komische Kategorie, aber ich muss meine Lieblinge hier doch schließlich irgendwie unterbringen) ist der „Eris I“, von meinem zweitliebsten Druiden Michel Reick in seiner Scotch Universe-Serie abgefüllt: ein 14 Jahre alter Tamdhu aus einem First Fill Rioja Wine Cask, mit 54,2% in die Flasche gebracht. Dieser Whisky ist ein würzig-fruchtiges, staubtrockenes, ausladendes Erlebnis mit dem man sich einen ganzen Abend beschäftigen kann. Einzige Einschränkung: man sollte Rotweinfassreifungen wirklich mögen, denn diese hier ist nicht gerade subtil zu nennen. Alle saftigen Beeren, die einem einfallen, Ingwer, Eukalyptus und Milchschokolade landen sofort in kräftig der Nase, denn der Eris ist nicht schüchtern. Im Mund dann ohne Ende vergorene Früchte, Granatapfel, Walnussschalen, matschige Limetten und staubtrockener Rotwein. Im Anschluss ein ewig langer Abgang mit staubtrockenem Rotwein, weißem Pfeffer, Bitter Lemon und Granatapfel. Leider geil. Erschreckenderweise ist der immer. Ist überall noch für etwa 88€ zu kriegen, was er Rotweinfans unbedingt wert sein sollte.
Meine „Überraschung des Jahres“ kommt tatsächlich aus Deutschland: es ist der 7 Jahre alte Fading Hill „# free cask 337“ von der Birkenhof Brennerei. Erst drei Jahre im Virgin Oak-Fass gelagert, anschließend für vier Jahre in First Fill Bourbon umgefüllt und am Ende mit 55,7% in die Flasche gebracht. Im Rahmen eines Onlinetastings mit jeder Menge Bloggern und YouTubern gab es von diesem Whisky ein Sample als Beispiel für ein Single Cask der Brennerei. Dieses wurde in der Runde derart begeistert aufgenommen, dass im Anschluss von vielen Teilnehmern unter dem Hashtag #freecask337 für die Befreiung des Whiskys aus dem Fass und sofortige Abfüllung geworben wurde. Die Birkenhof Brennerei ließ sich erweichen und unterstütze diese Befreiung mit feinen Social Media-Beiträgen. Kurz nach Erscheinen war dieses Single Cask dann auch ausverkauft. Auf meinem Foto seht ihr eine geschlossene Flasche, denn meine Erste ist schon leer, weil ich diesen Whisky im Freundeskreis ganz viel ausgeschenkt hab, um zu zeigen: deutscher Whisky kann was. Ein krachendes Bourbon Cask und für mich der beste deutsche Whisky, den ich bisher getrunken habe. Feine Säure, Karamell, Heide, Leder und Honig in der Nase, tropische Früchte, frischer Ingwer, Leder, Milchschokolade und Sahne im Mund, lang, trocken und tropisch im Abgang. Einfach toll und für mich die Überraschung des Jahres, weil ich Fading Hill bisher nur ganz am Rand überhaupt auf dem Zettel hatte. Jetzt nicht mehr.
Meine „Standardabfüllung des Jahres“ kommt aus Schweden: der 13 Jahre alte Mackmyra Brukswhisky mit 41,4% ist eine Kombination aus Bourbon-, Oloroso-, schwedischen Eichenfässern sowie der rauchigen und der nicht rauchigen Mischung von Mackmyra. Für mich ist es der älteste Mackmyra, den ich je getrunken habe, und dieses Alter hat ihm auch einfach gutgetan: Pfirsich, Minze, Vanille, Kirschen, Limetten, Kuchenteig, ganz leichter, aschiger Rauch und Eukalyptus in der Nase, Vanille, Mango, Kekse kombiniert mit Kaffee, kaltem Rauch, Leder, Ananas und Nougat im Mund, bittere, aschige Orangenmarmelade mit Leder, Pfirsich und Vanille im Abgang. Ein einfach leckerer Terrassenwhisky, der auch gar nicht vorgibt, mehr als ein Whisky für einen gemütlichen Abend in der Gruppe zu sein….und für derzeit knapp über 40€ ist der Brukswhisky auch preislich sehr zu empfehlen.
Mein „Oje, der ist viel zu teuer, aber ich muss ihn trotzdem haben“-Whisky des Jahres ist ein Tormore 32 Jahre aus dem Bourbon Hogshead mit 44,1% abgefüllt vom Whisky Fässle. Aktuell ist dieser Whisky für 270€+x zu bekommen und ich hatte den lange sabbernd im Blick, denn Tormore mag ich einfach und dann noch ein uraltes Bourbon Cask - Da kann man doch nichts falsch machen, oder? Trotzdem war der preislich so weit über meinem Budget, dass ich nicht zugegriffen hab, bis mir wieder eine Auktion das Denken abnahm: kurz vor Schluss lag er bei 180€, da musste ich einfach ins Bieten einsteigen und bekam ihn dann auch für 190€. Dieser alte Whisky braucht Zeit, bevor er sich öffnet, aber es lohnt sich, ihm diese zu geben: Vanille, Ananas, Weißwein, Menthol, Gras, Mandarinen und Mürbeteig kriechen einem in die Nase, mild und ölig rollt der Tormore mit Birnencider, Litschi, Limetten, Vanille, Bitter Lemon, Kalk und Shortbread über die Zunge, mittellang und höchst intensiv mit Orangenmarmelade, dunkler Schokolade, Malz und Eukalyptus im Abgang. Mächtig teuer, aber auch mächtig lecker.
Was gab es noch in 2022? Viele Samples und Miniaturen, viele neue noch ungeöffnete Flaschen, viele böse Blicke der besten Frau aller Zeiten, wenn sie die Neuankömmlinge skeptisch betrachtet hat. Wieder viele Blogbeiträge, mit den nicht ernst gemeinten „Fachbegriffen für den fortgeschrittenen Genießer“ eine Sammlung von Blödsinn aus Whisky-Gruppen, leider als einzige Messe nur die Just Whisky in Hamburg, spannende Online-Tastings, höchst unterhaltsame Stammsofas, Community-Meetings oder Aftershow-Abende sowie ein weiteres tiefes Eintauchen in die deutsche Whisky-Community. Grundsätzlich viele schöne Momente, die aber von Angesicht zu Angesicht sicherlich noch viel schöner gewesen wären. Vielen Dank jedenfalls an alle, die den Blödsinn, den ich manchmal schreibe, auch noch lesen oder gar kommentieren. Jede Rückmeldung ist schön, sehr willkommen und wird mit Freude registriert, denn ich schreibe hier zwar auch viel für mich selber, weil ich mir die Eindrücke zu den ganzen Whiskys sonst nur schwer merken kann, aber mein Ego ist natürlich auch vorhanden und freut sich über Abos, Gefällt Mir, Likes, Kommentare, Kritik, wasauchimmer.
Für Interessierte mal ein paar Zahlen zu meinem Blog:
68 Beiträge
Grob 1.700 Besucher im Schnitt pro Monat, insgesamt 20.846 im ganzen Jahr. Ist das viel oder wenig? Keine Ahnung. Ich gehöre ja eher zu den Bloggern mit wenig Likes/Abos auf Facebook, Instagram oder wo auch immer, weil ich selten über die gängigen Abfüllungen schreibe, daher müsste ich eigentlich im Vergleich eher im unteren Bereich liegen.
Meist aufgerufener Beitrag: „Fachbegriffe für den fortgeschrittenen Genießer“ führt deutlich vor „Just Whisky 2022“ und „Whisky des Jahres 2021“. Bei den Tasting Notes liegt der Oban 18 vorne, gefolgt vom Ardbeg Smoketrails und dem Johnnie Walker Black Label - Merke: schreibe ich mal über gängige Abfüllungen, wird es auch ordentlich geklickt.
Top 3-Länder aus denen die Besucher des Blogs kamen: überwiegend Deutschland, danach USA und Irland, Direkt anschließend folgt erstaunlicherweise Rumanien, wo ich ein oder zwei sehr regelmäßige Leser zu haben scheine.
Whisky-Trinker scheinen deutlich überdurchschnittlich Apple-User zu sein, denn 52% aller Aufrufe erfolgten über Mac-Betriebssysteme.
Die meisten der Besucher des Blogs haben diesen über Google gefunden, gefolgt von Facebook, Bing und Instagram.