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Whisky des Jahres 2024

27. Dezember 2024

Von Bourbonfasskrachern und Überraschungen

Der Whiskymarkt hat auch in diesem Jahr jede Menge an Krachern, Geheimtipps und Gaumenschmeichlern im Angebot gehabt. Wer kann da noch den Überblick bewahren oder gar all die obskuren Abfüllungen durchprobieren? Ich bin da auch keine große Hilfe, aber für meinen ganz persönlichen, ultimativen, unfassbar subjektiven und selbstverständlich vorurteilsgeleiteten Jahresrückblick reicht es aus. Hier sind also meines Whiskys des Jahres. Entscheidendes Kriterium: Begeisterung. Herausgekommen ist eine entschieden unrepräsentative Auswahl. Fast ausschließlich unabhängige Abfüllungen, spannenderweise alle aus Brennereien, die ich schon vorher als meine liebsten Brennereien verordnet habe, und noch dazu erstmals seit ich vor fünf Jahren begonnen habe, meine Lieblinge des Jahres zu küren, ohne eine Abfüllung außerhalb von Schottland. Zwar gab es auch viel Gutes aus u.a. Taiwan, Deutschland und England bei mir in diesem Jahr, aber für ganz vorne hat es da diesmal nicht gereicht. 


Mein absoluter Liebling dieses Jahr ist ein 13 Jahre alter Glenlossie von dem mir bis dahin noch völlig unbekannten Abfüller „CS James & Sons“: 13 Jahre, von September 2009 bis April 2023, durfte dieser Whisky in einem Bourbon Hogshead verbringen, um schließlich in der „National Choice – Guardians of Scotland“-Serie mit 52% Alkoholgehalt in die Flasche zu kommen. In die Finger bekommen habe ich diese Abfüllung im Frühjahr auf der Whiskymesse in Limburg am Stand von Klaus Pinkernell, wo mir das schlichte, aber trotzdem wirklich schicke Design zuerst auffiel. Als ich dann noch „Glenlossie“ (Eine meiner liebsten Brennereien) und „Bourbon Hogshead“ sah, hab ich dann blind zugeschlagen….und es alles andere als bereut, denn diese Abfüllung ist ein Bourbonfasskracher: Vanille, Vanille, Vanille und eine Frühlingswiese in der Nase, warm, weich, süffig und fruchtig im Mund, staubtrocken, warm und vanillig im Abgang – Einfach geiles Zeug und für mich dieses Jahr einfach ungeschlagen: Eine Flasche geleert, eine halb leer und jetzt schon Trauer im Anmarsch, denn mehr davon hab ich leider nicht auftreiben können.


Wo ich schon einmal bei Glenlossie bin, bleibe ich auch gleich dort, denn ein zweiter Whisky dieser feinen Speyside-Brennerei hat es in meine Bestenliste geschafft: 15 Jahre alt, 56.4% Alkoholgehalt, grob 12 1/2 Jahre Refill Bourbon Cask, dann etwa 2 1/2 Jahre Finish in einem First Fill Ruby Port Barrique, abgefüllt von Tilo „Caskhound“ Schnabel, meinem tatsächlich liebsten unabhängigen Abfüller des Jahres 2024, für den dieser tolle Whisky stellvertretend stehen soll: Ein sanfter, malzig-grasiger Glenlossie, der nicht in einem langen First Fill Ruby Port-Finish untergeht, sondern von feiner Eiche, angebranntem Toast, Nougat und von einem frisch geschnitzten Holzlöffel gegessener Rote Grütze mit Vanillesoße, sauren Äpfeln und Muskatnuss großartig ergänzt wird. Tilo hat mir in seinen verschiedenen Serien dieses Jahr eine Menge an Genuss bereitet und ist auch der Abfüller von dem ich dieses Jahr am meisten Flaschen erworben hab…..und da ich erschreckend wählerisch und einzelnen Abfüllern sonst nur wenig treu bin, gilt es das gesondert zu erwähnen.


Dieses Jahr habe ich für mich tatsächlich mal wieder eine Art „Standardabfüllung des Jahres“ gefunden: Das aktuelle Batch vom Glen Scotia 18 Jahre hat mich absolut abgeholt und das obwohl es ein Whisky mit einem von mir alles andere als geliebten First Fill Oloroso-Finish ist. Diese Abfüllung ist für mich wie ein gezähmter Löwe im Glas, der jederzeit gewaltig ausbrechen könnte, dies aber immer wieder einfach nur andeutet. Mit Alkohol vollgesogene Kirschen, Erdbeeren und Orangen, leichter Rauch und Vanille und eine ganze Gewürzmischung aus Muskat, Nelke, Zimt, Salz, Anis und sowas wie Fenchel erobern die Nase, während im Mund eine große Welle ordentlich um sich greift und Eichenwürze, Asche, Schokolade, Wachs, weißen Pfeffer, Rote Grütze, Küchenkräuter, Vanille, Salz und Möbelpolitur mitbringt. Sowohl süßlich als auch staubtrocken als auch einfach lecker und vollkommen zurecht unter meinen persönlichen Lieblingen des Jahres.


Neben dem Liebling des Jahres hat es noch ein zweiter Bourbonfasskracher in die Jahresbestenliste geschafft und steht zugleich ein wenig für einen Abfüller, der aus meinem Blick beinah völlig verschwunden ist: Ein Tamdhu 17 Jahre aus einem Bourbon Barrel mit 57% Alkoholgehalt und abgefüllt in der Chairmans Stock-Serie von Cadenhead’s. Gerade durch seine Läden in Köln aber auch durch viele Tasting Notes anderer Blogger oder YouTuber war Cadenhead’s für mich jahrelang ein höchst präsenter Abfüller, der durch die Schließung seiner Läden und Umstellung seines Verkaufskonzeptes für mich inzwischen kaum noch präsent ist. Ich vermisse das tatsächlich sehr und habe mich immer gerne durch deren Outturn getrunken, aber auch andere Abfüller haben schöne Töchter und jetzt halt die Führung bei mir übernommen. Dieser Tamdhu ist allerdings trotzdem in meine Fänge geraten und ich habe mich sofort gierig dran festgekrallt, denn dieser Whisky hat alles, was mir für einen tollen Whisky wichtig ist: Einen wiedererkennbaren, mir sehr liegenden Brennereicharakter, der durch eine gelungene Fassreifung ergänzt und nicht erschlagen wird. Elegant gezähmte Kraft mit den klassischen Tamdhu-Noten. Vanille ist die beherrschende Note aber auch frisch riechende Möbelpolitur, Ingwer, tropische Früchte und Orangenzeste gesellen sich in der Nase dazu, bevor im Mund neben der Vanille auch altes Holz. Honig dunkle Schokolade, angebranntes Toast, weißer Pfeffer, ein Hauch tropische Säure und Karamell zur Geltung kommen. Eine feine Ode an die leichte Bitterkeit und ein herrlicher Genuss.


Meine Überraschung des Jahres ist ein Linkwood 2010-2022 aus einem Madeira Cask, der von Firkin Whisky in der „Firkin Ten“-Serie auf den Markt gebracht wurde. „Überraschung“, weil ich die Flasche damals nur als „Beifang“ oder „Versandkostenoptimierung“ erworben hatte und diese bereits anderthalb Jahr bei mir ungeöffnet in dem „Muss ich irgendwann mal probieren, eilt aber nicht“-Haufen rumstand……und als die Flasche dann einmal geöffnet war, war sie auch ganz fix leer und es gab natürlich nichts mehr davon zu kaufen: Man sollte Holzeinfluss mögen, aber wenn man damit umgehen kann, ist dieser Linkwood eine richtig starke Abfüllung, die einem süße Orangen, ordentlich Zitrussäure, angebranntes Holz und dickflüssige Blumen bietet - ein toller, typischer Linkwood kombiniert mit Madeira-Noten.


Was gab es noch in 2024? Viele Samples und Miniaturen, viele neue noch ungeöffnete Flaschen, viele böse Blicke der besten Frau aller Zeiten, wenn sie die Neuankömmlinge skeptisch betrachtet hat. Wieder ordentlich Tasting Notes und Blogbeiträge, aber mangels Zeit letztlich doch deutlich weniger als in den Vorjahren , mit der Just Whisky, der Hanse Spirit, dem Bottlemarket und Limburg (mit tollem Pre-Event) immerhin vier Messen, ein höchst unterhaltsamer und informativer Donnerstags-Stammtisch und viele schöne Whisky-Momente mit anderen bekannten und auch völlig unbekannten Genießern, die einem in einem Whiskyladen, auf einer Messe oder in einer Whiskybar zufällig begegnen. Vielen Dank jedenfalls an alle, die den Blödsinn, den ich manchmal schreibe, auch noch lesen oder gar kommentieren. Jede Rückmeldung ist schön, sehr willkommen und wird mit Freude registriert, denn ich schreibe hier zwar auch viel für mich selber, weil ich mir die Eindrücke zu den ganzen Whiskys und Veranstaltungen sonst nur schwer merken kann, aber mein Ego ist natürlich auch vorhanden und freut sich über Abos, Gefällt Mir, Likes, Kommentare, Kritik, wasauchimmer.


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