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Glen Grant 12 Jahre - Original und drei Finishes

6. Februar 2022

Glen Grant 12

 1x Klassisch, 1xSherry-Finish, 1x Rum-Finish, 1x Peated Finish

Ich weiß nicht genau, wie es anderen Whiskybloggern geht, aber fast immer, wenn im Mailpostfach des Blogs ein Posteingang mit dem Betreff „Kooperationsmöglichkeit“ (o.ä.) auftaucht, dann wappne ich mich innerlich auf die schrägsten Angebote……und lehne diese beinah immer ab. Gedanklich hatte ich das auch schon wieder getan, als neulich eine Mail von Soakstaves ankam, aber dann sah ich genauer hin: drei 200ml Flaschen und vor allem drei vorgereifte, getoastete Holzsticks mit denen man einem Whisky die Finishes Sherry, Rum und Peated geben kann.

Das klang erstmal nicht übermäßig spektakulär, traf aber genau meinen Nerv, weil ich seit längerem damit liebäugele, mal in einem kleinen Fass einem Whisky ein eigenes Finish zu geben…..und Soakstaves wäre für mich dann sowas wie ein Probieren, ob das tatsächlich was für mich ist. Außerdem hatte ich noch einen Glen Grant 12 Jahre zuhause, der mir dafür sofort perfekt geeignet schien. Also antwortete ich und schon ein paar Tage später kam ein kleines Paket aus Österreich, welches in Optik und Haptik schon mal sehr schön aufgemacht war (s. Bilder weiter unten).

Noch am selben Abend wurde alles mit dem Glen Grant befüllt, erste Fotos wurden gemacht, in den nächsten zwei Wochen regelmäßig geguckt und auch mal, wie in der Anleitung vorgegeben, geschüttelt….und jetzt stehen vier Glencairn vor mir: ein Glen Grant 12 im Original und je einmal mit Sherry-, Rum- und Peated-Finish und alle wollen verkostet werden. Warnung: das heißt natürlich, viele Notes und ein sehr langer Artikel.

Stellt man die vier Flaschen nebeneinander, sieht man erstmal keine großen farblichen Unterschiede nach der zweiwöchigen Reifung. Sind die vier Drams aber im Glencairn, kann man erkennen, dass die drei Whiskys mit Finish erkennbar dunkler sind. Die Sherryreifung wirkt dabei einen Hauch dunkler als die anderen beiden, aber das kann ich mir auch einreden, weil ich das bei einem Sherryfinish irgendwie erwarte.

Aroma:

Original: Honig, Gras, Limetten, Eukalyptus, grüne Äpfel, Vanille und helles Holz - Sommerlich frisch

Sherry: die Gras-Honig-Zitrusnoten vom Original bleiben, werden jetzt aber begleitet von Muskatnuss, Rosinen, Haselnüssen und roten Trauben

Rum: auch hier bleiben Gras und Honig erhalten, während die Zitrusnoten nun eher Ananas und Litschi ähneln. Zudem ist der Glen Grant ein bisschen dumpfer und holziger geworden.

Peated: der hat sich ordentlich verändert. Apfeliger, aschiger Rauch, Heidekräuter, Honig, Leder, Tabakkrümel und Zitronengras

Geschmack:

Original: bitterer als nach der Nase erwartet. Verkohltes Toast, helles Holz, Bitter Lemon, Kupferrohr und Heidekräuter

Sherry: weniger bitter als das Original. Weiterhin angekohlte, zitronige, metallische Noten, diesmal aber von Nüssen, Trockenfrüchten und Pfirsich ein klein wenig weiter in den Hintergrund geschoben.

Rum: das Rum-Finish hat den Glen Grant deutlich dunkler und malziger gemacht und damit die Bitternoten einigermaßen überdeckt. Zusätzlich gibt es Vanille, leichte Säure, deutliche Würze, Zimt und Melasse.

Peated: das ist ein anderer Whisky. Aschiger Zigarettenrauch, Leder, bittere Orangenmarmelade, staubtrocken, Vanille, Kuchenteig, Nougat und Mandeln.

Abgang:

Original: mittellang, metallisch, Walnussschalen, kalter Kaffee, Vanille und grüne Äpfel

Sherry: mittellang, weiterhin metallisch bitter, zusätzlich Muskatnuss, Heidekräuter und Trauben

Rum: lang und dumpf, Zimt und Melasse, verkohltes Holz, erkennbar trockener und erst sehr spät am Gaumen noch ein wenig Metall

Peated: lang, Asche klebt regelrecht am Gaumen, Leder, Vanille, kalter Kaffee und dunkle Schokolade

Fazit:

Ich kann klar und deutlich sagen: Experiment gelungen. Alle drei Finishes haben den originalen Glen Grant 12 in den zwei Wochen mehr oder weniger deutlich verändert. Allerdings bin ich froh, dass ich für den Versuch einen grundsätzlich sehr sanften Whisky und nicht einen mit einem kräftigen Charakter verwendet habe.

Das Peated-Finish hat einen komplett anderen Whisky kreiert, der für mich deutlich besser als das Original war. Das Rum-Finish hat den Glen Grant ebenfalls sehr spannend gemacht, hatte aber das „Zimt-Problem“: ich mag leider überhaupt keinen Zimt, so dass das Finish für mich persönlich furchtbar war. Objektiv glaube ich aber sagen zu können, dass es den Whisky besser gemacht hat. Das Sherryfinish war deutlich zurückhaltender als die anderen Beiden, war aber auch völlig in Ordnung.

Die Frage der Fragen: würde ich das Set von Soakstaves weiterempfehlen? Die Antwort darauf ist gar nicht so leicht.

Ich selber würde es kein zweites Mal probieren, was aber daran liegt, dass ich ja, wie bekannt, mit Sherry nur sehr wenig anfangen kann und wie oben beschrieben auch keinen Zimt mag. Heißt: zwei der drei Finishes sind nix für mich. Aber es hat mir trotzdem Spaß gemacht, die Unterschiede sind ja auch klar erkennbar und ich hab jetzt eine kleine Vorstellung davon, was bei einem eigenen kleinen Fassprojekt passieren kann. War also trotzdem ein Gewinn für mich. Außerdem hat mich allein die Verkostung mitsamt der Notes drei Stunden lang entschleunigt und von allem anderen abgelenkt.

Wenn ich mich an einer objektiven Einordnung versuche, würde ich sagen, dass das Soakstaves-Set etwas für den Whisky-Nerd und nichts für den normalen Whiskytrinker ist, weil es sehr viel Beschäftigung mit den Ergebnissen verlangt, die über den normalen Genuss hinausgeht.

Insgesamt würde ich also sagen: versucht es ruhig mal. Das Set kostet Stand heute 34,90 €. Ob euch so ein Experiment das wert ist, müsst ihr selber entscheiden. Es war für mich auf dem Weg zum eigenen, deutlich teureren Fassexperiment jedenfalls ein guter Start. Ich lasse die Holzsticks jetzt noch eine weitere Woche drin und beobachte mal, wie sehr sich das auswirkt. Unten folgen jetzt noch jede Menge Fotos.

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