Am schon etwas fortgeschritteneren Abend auf der Hanse Spirit bin ich am Stand von Marussia Beverages hängengeblieben, die u.a. als Importeur von Mossburn tätig sind. Mossburn ist ein schottischer Abfüller und Blender von dem ich bereits einige Abfüllungen zuhause stehen und diesen daher immer mal wieder im Blick habe. Auf der Messe fiel mir ein 10 Jahre alter Glen Elgin, 2008-2018, Bourbon Cask ins Auge, der mit 59% Alkoholgehalt abgefüllt worden war. Ich erwarb einen Dram davon und wurde sofort mächtig überrascht, als mir eine absolute Fruchtbombe aus dem Glas entgegenströmte. Mit dem Glen Elgin in der Hand wanderte ich dann, ständig wieder schnuppernd, ziellos über die Messe und hielt den Dram ein paar Bekannten unter die Nase. Immer kam ein „Wow - Was ist das denn für eine Fruchtbombe?“ und meine Antwort „Glen Elgin, 10 Jahre, der schon vor 7 Jahren abgefüllt wurde und in der Base bei 40 Bewertungen auf 81 Punkte kommt.“ führte allgemein zu Stirnrunzeln. Florian lief nach dem Riechen sogar mit mir zum Stand von Marussia, ließ sich auch einen Einschenken und nach dem Probieren kauften wir beide eine Flasche.
Die spannende Frage also: Wie konnte mich ein in all seinen Rahmendaten völlig unspektakulärer Whisky, den ganz viele Base-Nutzer gerade so als Durchschnittsdram einstufen, derart umhauen, dass ich den direkt einpacke? Was hab ich da auf der Messe, zugegeben nach dem Genuss einiger anderer Drams vorher, ausgemacht, was sonst keiner gemerkt hat? Flasche auf und probieren - Anders lässt es sich nicht rausfinden und ich bin schon mächtig gespannt. Aufgrund der 59% hab ich vorher schon einen kleinen Kalibrierungsdram zu mir genommen, um den Gaumen vorzubereiten.
Aroma:
Dieser Glen Elgin braucht Zeit. Viel Zeit. Anfangs kommt nur eine klare Fassstärke zum Vorschein, die lediglich eine leichte Säure enthält. Nach fast 25 Minuten und mit ein wenig Handwärme fängt der Whisky dann an, sich zu öffnen: Äpfel, Äpfel, Äpfel und Äpfel mit Äpfeln in Alkohol. Die Zitrusnoten eines Granny Smith, der säuerliche Cox Orange, das herbe eines Boskop und die Süße eines Golden Delicious zusammen mit einer großen Portion Dry Cider und Apfelessig. Dazu ein bisschen Vanille, Maggi und Banane. Nicht komplex, aber einfach ordentlich apfelig.
Geschmack:
Wie bei 59% Alkoholgehalt zu erwarten, gibt es einen leicht scharfen, pfeffrigen Antritt, der sich aber schnell verflüchtigt. Dann folgen ein herbe, raue Apfelschale, Vanille, Butterkekse, angebranntes Toast, Malzbonbons und Eiche. Einfach und dann doch erstaunlich süffig, wenn auch sehr flüchtig und schwierig zu greifen.
Abgang:
Zack und weg. Nach gefühlten 30 Sekunden schmecke ich von diesem Glen Elgin rein gar nichts mehr an Zunge oder Gaumen außer einer leichten alkoholischen Wärme. Bisschen Holz, bisschen Muskat, bisschen Kräutergarten, bissen Zitrus, bisschen Apfel - Aber von allem wirklich nur ein bisschen.
Fazit:
Ich weiß jetzt, warum mir dieser Whisky am späteren Abend der Messe so gut geschmeckt hat und warum er in der Base so bewertet ist, wie es der Fall ist: Dieser Glen Elgin ist nicht der erste und einzige Whisky, den man an einem Abend trinken sollte. Er braucht definitiv einen angewärmten Gaumen, der bereits mit Alkoholstärke umgehen kann. Dazu muss man die Geduld haben, den zweiten oder dritten, eigentlich völlig unspektakulären, Whisky des Abends ewig stehen zu lassen und ihm dann noch Handwärme zu geben. Mit Zeit und Vorbereitung ist das am späteren Abend ein ganz toller Whisky. So direkt und mit wenig Zeit oder Geduld fällt dieser Glen Elgin durch. Ein Whisky für bestimmte, spätere Abende also und gleichzeitig ein Whisky, der umso besser wird, je länger die Flasche bereits geöffnet ist.. Kaufempfehlung? Schwierig, aber ja. Man muss nur wissen, worauf man sich einlässt.