……und jetzt alle mal die Hände hoch, die in den letzten 12 Monaten einen Glen Ord getrunken haben. Niemand? Ich auch nicht. Vermutlich ist es sogar mehr als zehn Jahre her, dass ich einen Whisky dieser Brennerei getrunken habe, der als Standardabfüllung unter dem Namen „The Singleton of Glen Ord“ vermarktet wird, nur selten bei unabhängigen Abfüllern zu finden ist und von seinem Besitzer Diageo hauptsächlich in deren Blends verwendet wird. Meine Erinnerung an Whiskys dieser Brennerei sagt..ähm…..keine Ahnung. Hab ich vergessen und damals noch nichts notiert, so dass ich es auch nicht mehr nachlesen kann. Als ich aber neulich eine größere Bestellung bei Cadenheads gemacht hab, sprang mich dieser Glen Ord in Fassstärke mit Finish im Cognac Hogshead einfach an und aus einem Impuls heraus hab ich ihn einfach so blind mitbestellt. 53,9% Alkoholgehalt, 242 Flaschen, 2010-2021, erschienen in der Authentic Collection von Cadenheads.
Aroma:
Zitronengras, frische Orangen und Kokosnuss sind die ersten Noten, die mir der Glen Ord aus dem Glencairn entgegenwirft. Der Dram kommt dadurch mild, frisch und sommerlich daher. Vanille, Marille, Mirabellen und Ingwer verstärken diesen Eindruck nur noch weiter. Lecker. Holz oder Malz suche ich vergebens.
Geschmack:
Sobald der erste Schluck im Mund ist, blicke ich erst verwirrt aufs Glas und dann auf meine bisherigen Notes: Sommerlich? Jede Menge Früchte? Kein Holz oder Malz? Ja, das hab ich offensichtlich gerochen und tue das auch immer noch. Im Mund selber präsentiert sich der Glen Ord allerdings völlig anders und knallt mir erstmal eine Ladung dunkles, angebranntes Malz und bittere Walnussschalen auf den Gaumen. Morsches Holz, eine Art Chili Catch und fette, fast pelzige Tannine folgen auf dem Fuße, bevor es einen kurzen Ananas-, Weintrauben-, Vanille- und Muskatnuss-Moment gibt. Dieser wird dadurch abgelöst, dass der staubtrockene Dram einem die Mundwinkel nach innen zieht und eine Ladung bitteren Kakao mit Weihnachtsgewürzen nachlegt. Sehr schräg.
Abgang:
Lang und trocken, mit einem ewigen Nachhall von Muskat und Malzbonbons, dazu bittere Grapefruit und Walnussschalen, minimal Vanille.
Fazit:
Ein ganz wilder Whisky. Ich hab diesen Glen Ord verteilt über drei Wochen jetzt vier mal probiert (Das Foto ist vom ersten Abend) und es ist immer gleich: es ist überhaupt rein gar nichts von dem zu riechen, was später im Mund präsent ist. Selbst jetzt, wo ich genau weiß, was mich im Mund erwartet, kann ich es riechend nicht entdecken. In der Nase ein überragender Sommerwhisky. Im Mund eine staubtrockene Ode an die Bitterstoffe, allerdings nicht unangenehm, sondern immer wieder ein skurriles Erlebnis.
Hat mich dieser Whisky jetzt überzeugt und werde ich in Zukunft mehr Glen Ord kaufen? Nein, denn dazu ist diese Abfüllung einfach zu schräg. Bereue ich diesen Whisky einfach blind gekauft zu haben? Nein, auf keinen Fall. Mit diesem Glen Ord kann ich wunderbar experimentieren und werde ihn in verschiedenen Stimmungen und Temperaturen testen…..und außerdem bestimmt so einige andere Whiskykollegen damit vollkommen überraschen.