Bivrost Niflheim - Arctic Single Malt
Anfang Mai war es so weit: Der erste Single Malt der norwegischen Brennerei Aurora Spirits ging in den Verkauf und ich war zu langsam: alles ausverkauft. 1.600 Flaschen, davon 800 nach Norwegen, der Rest verteilt auf Großbritannien, Schweden und Deutschland. Dank eines Tipps konnte ich aber schließlich doch noch eine Flasche ergattern.
Aurora Spirits hat seine Brennerei im hohen Norden Norwegens, etwa auf einer Höhe mit Tromsö oder der Nordspitze Finnlands, nördlicher sogar als Murmansk erbaut. Sie steht im Bereich eines alten Militärgeländes, dessen aus dem Kalten Krieg stammender Bunker für die Lagerung des Whisky genutzt wird.
Der Name des Spirits „Bivrost Niflheim“ leitet sich von zwei Dingen ab: „Bivrost“ ist in der nordischen Mythologie die dreistrahlige Regenbogenbrücke zwischen der Erdenwelt „Midgard“ und dem Himmelsreich „Asgard“. Droht der Erdenwelt Gefahr, schickt der Wächter der Brücke zur Warnung rotes Feuer über diese. Wir kennen dieses rote Feuer als Polarlichter. „Niflheim“ ist die Welt des Eises, der Kälte und vor allem der Verstorbenen. Ich liste all dies auf, weil sowohl die Umverpackung als auch das Label sehr stark mit dieser Mythologie spielen: Totenköpfe in Wellen, mythische Tiere und wandelnde Leichen in eisiger Landschaft. Im Layout ist dieser Arctic Single Malt in jedem Fall großartig.
Jetzt aber die entscheidende Frage: was kann dieser mit 46% in Trinkstärke abgefüllte dreijährige Dram nun eigentlich im Glas? Da er zuerst in 50 Liter Virgin Oak Casks, danach in 190 Liter First Fill Bourbon Barrels und zum Abschluss in 250 Liter Ex-Oloroso-Casks gelagert wurde, wird er übrigens als „Triple Cask Matured“ vermarktet.
Aroma:
Ich mache etwas, was man sonst nicht tun sollte: einschenken und sofort die Nase ab ins Glas. Aquavit, ganz klar und eindeutig. Das kann doch kein Whisky sein? Also: Blick auf den Fernseher, 20 Minuten stehen lassen und hoffen, dass mich Anne Will nicht zum einschlafen bringt, zwischendurch aber immer mal wieder der Griff zur Flasche und zur Umverpackung: nein, da steht Single Malt und nicht Aquavit.
20 Minuten rum, Nase wieder ins Glas. Eine leichte Aquavit-Note ist immer noch da, aber vielleicht will ich die nach dem Anfang auch noch riechen. Ananas und Rosinen zeigen sich ebenfalls an der Oberfläche, die mit Vanille und Walnüssen eine spannende Gemengelage eingehen. Dazu kommt eine leichte Eichenwürze, die ich zuerst als Pfeffer wahrgenommen hatte, welcher sich aber mit der Zeit Richtung Eiche verändert.
Geschmack:
Trotz Trinkstärke hatte ich nach dem Aroma mit einem scharfen Antritt gerechnet, werde aber überrascht: mild und fein legt sich der Bivrost auf die Zunge, zeigt sich trocken und wieder mit leichter Ananas (oder einen anderen leicht sauren, exotischen Note). Mit der Zeit entwickelt er Pfeffer, Kümmel und nasses Holz. Er wirkt im Mund deutlicher älter als drei Jahre, ist aber ganz offensichtlich noch nicht fertig mit seiner Entwicklung.
Abgang:
Eher kurz und pfeffrig, mit Eiche, Vanille und überraschenderweise Dill (Hab extra noch zur deutlichen Unterhaltung meiner Frau im Dunkeln im Hochbeet ein bisschen Dill geerntet, um das zu verifizieren).
Fazit:
Der Bivrost Niflheim lässt mich ein bisschen unentschlossen zurück: Die Nase ist jung, überraschend süßlich, trotzdem würzig, aber genau wie der Geschmack irgendwie unfertig. Der Dram zuckt in verschiedene Richtungen, aber immer nur ein bisschen, ohne irgendwas konsequent durchzuziehen. Er wirkt dadurch sowohl rund und süffig als auch unrund und widerspenstig. Den lass ich jetzt mal zwei, drei Wochen atmen und probiere ihn dann nochmal. Ich hab das Gefühl, der braucht Luft.